Zur Geschichte von Glienicke

Archäologische Funde in Form von Stein- und Bronzewerkzeugen, Gefäßscherben, Urnen und Feuerstellen auf dem heutigen Ortsgelände und seiner Umgebung belegen, dass diese Gemarkung schon vor Jahrtausenden besiedelt war. Diesen Funden ist erhebliche archäologisch-historische Bedeutung beizumessen sie können zum Teil in einer Dauerausstellung in der Glienicker Bibliothek besichtigt werden.

 

Erstmalig findet der Ort als “Glyneck” im Jahre 1412 in brandenburgischen Lehnsregistraturen des Kurfürsten Friedrich I. von Hohenzollern urkundliche Erwähnung. Da ist von 4½ Bauernhöfen mit 600 Morgen Land die Rede. Der Name Glyneck (“Lehmeck“) geht offensichtlich auf das slawische Wort Glina = Lehm zurück, was auch an vielen Stellen Glienickes seine praktische Bestätigung findet. Slawisch-wendischer Einfluss in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ist damit begründet. Bis 1450 findet man die Schreibweise “Glinikow”, ab 1724 “Glienick”, ehe daraus das heute übliche Glienicke entstand.

Während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wurde das kleine Bauerndorf fast total zerstört und erst ab etwa 1670 begann eine Wiederbesiedelung der Ortslage. Der Hauptmann von Oranienburg erhielt vom Kurfürsten den Auftrag, einen Krug (Gaststätte) in Verbindung mit einer Bauernwirtschaft zu errichten. So entstand um 1670 der “Sandkrug”, der sogar Erwähnung in Theodor Fontanes “Wanderungen durch die Mark Brandenburg” findet.

 

1964 wurde dieses historische Gebäude im Rahmen sogenannter “Grenzsicherungsmaßnahmen” im Zusammenhang mit dem Mauerbau abgerissen. Um 1700 ist von acht Bauernhöfen die Rede, die unter dem Druck unmäßiger Abgaben standen. Ein freies Bauerntum kann sich dann erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickeln.

Im Zeitraum um 1806 litt auch Glienicke durch erpresste Forderungen der Truppen Napoleons. Das zurückkehrende, in Russland geschlagene Heer brachte in der Zeit von 1812 bis 1815 noch einmal Leid über unseren Landstrich. Aus diesem Zeitraum resultiert auch die bekannte Glienicker Kindelsage, die mit dem Begriff „Kindel“ in vielen Namensgebungen im Ort seine Widerspiegelung erfährt (Kindelwaldpromenade, Kindelwald, Kindelfließ, Kindelfließsiedlung, Kindelwaldapotheke, Kindelbrücke und Kindelwaldsiedlung). Napoleon selbst hielt sich im benachbarten Stolpe und in Dammsmühle bei Mühlenbeck auf.

Die zunehmende Einwohnerzahl verlangte entsprechende kommunale und infrastrukturelle Einrichtungen: 1847 entstand das erste Schulgebäude, 1865 der heutige Kirchenbau, 1894 eröffnete man eine “Posthülfsstelle”, 1899 wurde die Freiwillige Feuerwehr ins Leben gerufen, der erste Telefonanschluss ging 1904 in Betrieb, im gleichen Jahr entstand ein neues Schulgebäude (die heutige Grundschule), seit 1905 gibt es eine öffentliche Gemeindebibliothek, 1926 lässt sich eine Sparkassenfiliale nieder, 1932 wurde das Rathaus eröffnet und 1939 zeigte das “Olympia”-Filmtheater – deklariert als „Uraufführungstheater des Berliner Nordens” – seinen ersten Film. 1960 wurde das Kino durch einen Brand zerstört.

Entscheidende Prägung erfuhr Glienicke ab Ende des 19. Jahrhunderts durch seine Lage am nördlichen Stadtrand Berlins mit dem Bau der Eisenbahnlinie Berlin - Oranienburg - Strelitz, die Nordbahn. Dieser verkehrsmäßige Anschluss an Berlin förderte die Bodenspekulation, die Bauern parzellierten ihre Felder, die bäuerlich-dörfliche Prägung des Ortes verlor an Bedeutung. Glienicke wurde nach und nach zur Stadtrand-Gemeinde mit Wohnhaus- und Wochenendgrundstück-Gepräge, wobei der alte Dorfkern mit Dorfanger und Dorfteich bis heute teilweise erhalten ist.

 

Waren es 1890 nur 125 Einwohner, zählte man 1900 schon 425, im Jahre 1910 waren es 1031 und 1934 wurde die 4000er-Grenze überschritten. Außer kleinerem Gewerbe entstand keine Industrie, Glienicke blieb mit überwiegend Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wochenendgrundstücken ein ruhiger und erholsamer Wohnort im Grünen am Stadtrand Berlins.

Insbesondere nach dem 1. Weltkrieg und während der Weltwirtschaftskrise be-stimmte das Ortsbild eine zunehmende Anzahl sozial benachteiligter Menschen, die sich vorwiegend in Laubengrundstücken niederließen, aus denen im Laufe der Zeit feste Wohnsitze wurden. Dies spiegelte sich in den Wahlergebnissen dieser Epoche wider, die in Glienicke immer eine Mehrheit von KPD und SPD ergaben. Entsprechende illegale antifaschistische Aktivitäten im Ort zwischen 1933 bis 1945 fanden darin ihre Fortsetzung.

Trotz der unmittelbaren Nähe zu Berlin sind während des 2. Weltkrieges nur relativ wenige Schäden durch Luftangriffe entstanden, die in der Zeit von 1940 bis 1945 zwölf Menschen mit ihrem Leben bezahlen mussten. In der Nacht vom 21. zum 22. April 1945 marschierten ohne Kampfhandlungen sowjetische Truppen in Glienicke ein.

Durch die direkte Grenzlage zu Westberlin wurden Ortsbild und -geschehen während der Zeit der sowjetischen Besatzungszone und dann der DDR-Zeit ab 1952 mit der Errichtung von Sperranlagen und Kontrollpunkten, aber besonders dann ab 1961 mit dem Mauerbau von bedrückenden Grenzsicherungsmaßnahmen beeinflusst. Als größere kommunale Bauten entstanden während der DDR-Zeit ein Wohnblock 1968, das im Jahre 2001 abgerissene Kulturhaus (eröffnet 1969), das gleichfalls 2001 abgerissene Einkaufszentrum (eröffnet 1975), ein zusätzliches Schulgebäude 1979 und ein kleineres Kaufhaus, das nun der Schule als Mensa dient.

Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 erfuhr das Bild Glienickes sehr entscheidende Veränderungen. Genannt werden muss die vollständige Wiederherstellung der durch die Mauer über 28 Jahre lang und teilweise schon ab 1952 unterbrochenen Straßenanschlüsse nach Westberlin (Bezirk Reinickendorf). Der seit 1990 stark zugenommene Bau von Ein- und Mehr¬familienhäusern verändert zunehmend das bisher naturgeprägte Ortsbild bis hin zu einer Verstädterung insbesondere durch die Bebauung des ehemaligen Glienicker Feldes (“Sonnengarten”), wo insgesamt etwa 3.500 Menschen wohnen werden

 

Hinzu kommen die “Glienicker Spitze” mit über 170 Wohnungen, Geschäften und Restaurants sowie weitere kompakte Wohnanlagen mit großen Stadtvillen. Der Ort erfuhr einen bisher nicht gekannten Aufschwung seiner Infrastruktur durch den Bau einer Abwasser-Kanalisation, die Verlegung eines Erdgasnetzes, Erweiterung bzw. Erneuerung des Elektrokabelnetzes, der Straßenbeleuchtung und der Telefonversorgung. Dem stark zugenommenen Verkehr sind Straßen- und Gehwegausbau angepasst.

So hat sich in unserem Heimatort seit 1990 die Einwohnerzahl ungefähr verdoppelt, denn im März 2007 konnte der 10.000ste Einwohner Glienickes feierlich begrüßt werden ein insgesamt quantitativ und qualitativ großer Sprung in der bisherigen historischen Entwicklung des Ortes.

JOACHIM KULLMANN
Orts-Chronik

Abbildungen:

Bild 1 Der 3000 Jahre alte Glienicker Bronzeschatz
Foto: J. Kullmann

Bild 2 Der „Sandkrug“ in einer Darstellung um 1740
Quelle: Orts-Chronik

Bild 3 Am Dorfteich / Dorfanger
Foto: J. Kullmann

Bild 4 Das neue Glienicke – im Wohngebiet „Sonnengarten“
Foto: J. Kullmann

 

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